Sonntag, 6. Mai 2012



 Band: HEL
 Titel: Das Atmen der Erde
 Genre: Epic Pagan Metal
 Label: Eigenpressung
 Punkte: 10 / 10

Die Wartezeit auf ein neues Album wollte schier kein Ende mehr nehmen, doch jetzt melden sich Hel nach ihrem 2007er Langspiel- Genuss „Tristheim“ endlich mit einem neuen Werk zurück. Erscheinen tut es in erfreulich geschmackvoll aufgemachter Digipak-Edition. Im inkludierten Begleitheft sind sämtliche Lyriken neben wunderschönen, auffallend stimmig kolorierten Natur-Fotografien abgedruckt. So gilt es jetzt, und zwar vornehmlich für seriös empfindende Hinhörer, 65 immens gehaltvolle Minuten an extravaganter und gefühlsbetonter Heiden-Tonkunst in vollen Zügen zu genießen. Nein, für oberflächliche Trend-Fans und Mode-Düstermetaller hat das bis in die Haarspitzen ehrlich ambitionierte Trio aus Lüdenscheidt in Nordrhein-Westfalen „Das Atmen der Erde“ nun wirklich nicht auf diese Compact Disc gebannt. Das sind Lieder für manische Individualisten, für feinfühlige Liebhaber des Genres! Und „Das Atmen der Erde“ ist in stilistischer Hinsicht gesehen schon ein kräftiges Schnauben. Denn so dermaßen hochgradig eigenständig, so grenzenlos beseelt und so immens inniglich ist dieses durch und durch ästhetisierte Manifest der naturverbundenen Leidenschaften geworden.

So liegt ein mich zutiefst berührendes neues Hel-Werk vor, in dem ich mit Leichtigkeit vollkommen versinken kann. Wenn ich den wirklich grandiosen, knapp sechsminütigen Opener „Wo die Tannen thronen“ höre, breitet sich unermessliche Glückseligkeit in mir aus. Die Gitarrenarbeit darin könnte homogener und niveauvoller für diese Art von Musik nicht sein. So erinnert mich diese prächtig melodische und wunderbar episch arrangierte Naturliebhaber-Hymne in zutiefst berührender Weise fatal an den Jahrtausend-Song „Gods To The Godless“ vom mächtigen 2000er Primordial-Album „Spirit The Earth Aflame“, wobei ich ebenfalls immer wieder in genau dieselbe Stimmung gerate. Ich sehe mich nämlich auch dabei imaginär an einem hohen schroffen Steilhang nackt im stürmischen Gewitterregen stehen, die Fäuste geballt zum Himmel ausgestreckt und beschwörend gellend nach spiritueller Verbrüderung mit Übermutter Natur schreiend. Um solcherlei spektakulär großartige und derlei vollauf packende Atmosphären zu erlangen, muss man sich der eigenen Notenkunst schon in aller Selbstvergessenheit hingeben!

Anschließend legen Hel ihre musikalische Version von wahrem „Wagemut“ dar, erneut im Midtempo majestätisch gehässig inszeniert, klingen hierin in knapp vier tollen Minuten willkommene Reminiszenzen an Falkenbach durch; auch, was die dezente Tastenarbeit anbelangt. Melodisch thront auch dieser ebenso hungrige wie stimmungsvolle Seelenschlürfer wahrlich über allen Dingen, mit hörbar intuitiv vertonter Melancholie und unstillbarer Sehnsucht. „Von Reiter und Flutross“ kommt fein beschwingt und flüssig treibend daher, eröffnet mit ergreifendem Klargesang und erhebenden Männerchören. Prägnante Double Bass-Akzente koalieren perfekt mit der einnehmenden Melodieführung der Gitarren. Galoppierende Rhythmik von famos pumpender Erscheinung kennzeichnet eine wichtige Facette dieser ungemein schöngeistigen Komposition. Lieder wie dieses kann man tausende Male hören, ohne jemals genug davon zu bekommen. Verträumte Nuancen, auch lyrischer Natur, krönen dieses knapp fünfminütige Musterbeispiel von einem zeitlos schönen Epic Pagan Metal-Bilderbuch-Track.

„Wanderer im Nebelmeer“ kann erneut vollauf überzeugen, und abermals schimmern hierbei eigenständig umgesetzte Querverweise an die stärksten Momente von Falkenbach durch. In den vier Minuten Spieldauer schrauben sich Hel mittels inbrünstiger und harmonischer Klargesänge voll purer Hingabe in höchste spirituelle Höhen hinauf. Zauberhafte und bombastisch anmutende Epik ist hier zu vernehmen, wie sie mystischer schwerlich vorstellbar scheint. Ein absoluter und kultivierter Hochgenuss! „Komm zurück“ prescht anschließend mit der Wucht von einem Rammbock vor, rasant rhythmisiert sorgt die hohe Taktfrequenz für die nötige Abwechslung auf dieser ganz und gar vorzüglichen Edelscheibe. Nach einer ausbremsenden und bedächtigen Passage wird gar im besinnenden Rezitativ poetischen Motiven gehuldigt, um nachfolgend wieder in mittleren Tempi fesselnd zu operieren.

Das opulent angelegte Stück klingt mit ungemeiner Passion aus, nachdem Hel das Tempo wieder strammer gestalten und eine weitere exquisite Melodik geleitet mich in einem weiteren beglückend majestätischen Ambiente aus „Komm zurück“ heraus. „Am Grunde der Unendlichkeit“ beginnt zunächst mit labender Bedacht, eine Maultrommel assistiert in stimmiger Manier den ersten Takten des Liedes. Dann erheben sich starke und ebenso bestärkende Stimmen von Valdr und Skaldir neben köstlich pfundigen Trommelschlägen. Zwei Stimmen, die sich deutlich über das immer noch wahnsinnigere Treiben der destruktiven Spezies Homo Sapiens mit nobel gesinnter Motivik hinwegsetzen. Auch die folgenden delikaten Epic Pagan Metal-Leckerbissen „Wyrd“, „So Wahrheit, erkenne mich“, das mit seinen drei Minuten eher kürzer gehaltene „Jagdnacht“, „Eroberer“ und des „Träumers Melodie“ schlagen in dieselbe Kerbe, welche von den vorhergehenden Songs auf der Platte gehauen wurden.

Vor allem der zehnte Song „Eroberer“ kann mich dabei betören, und das beileibe nicht durch seine effiziente hypnotische Attitüde. Die wirklich berauschend stimmungsvolle Mammut-Komposition „Neun Gestade tiefer“ bringt dann abschließend kulminierend in ganzen zwölf (!) Minuten Spieldauer die hochwertige Essenz dieser exzellenten Hel-Veröffentlichung final zum Ausdruck. Atemberaubend vielfältig, reich an durchdachter und beinahe schon gezielt progressiv einhergehender Abwechslung ist hier alles enthalten, was die Musik von Hel schon seit jeher auszeichnete. Akustik-Fragmente, gerührt machende Klargesänge, obsessiv dargebotene Schwarzmetall-Anteile, bullige Groll-Artikulationen, massive epische Nuancierungen bis hin zu erlauchter symphonischer Noblesse führen mich hierin zu höchsten Wonnen. Unglaublich.

Doch auch auf textlichem Terrain äußern sich die Nordrhein-Westfalen so viel tiefgründiger und so viel selbstloser als der Großteil der Gilde es überhaupt ansatzweise vermag. Kaum zu ermessen, wie viel veritables Herzblut und wie viel an perfektionistisch ausgerichtetem Aufwand in diesem neuen Zauberalbum steckt. Falsches Pathos? Fehlanzeige, und das auf der ganzen Veröffentlichung! Denn „Das Atmen der Erde“ haben Hel in aller erdenklichen künstlerischen Würde und vollauf ehrfürchtig vor der Schönheit und der Vollkommenheit des Planeten in Klänge gefasst. Klänge, die mir hier so nahe gehen, dass es sich glatt wie ein mystisches Wunder anfühlt. Dafür lohnt es zu leben.

© Eckbert, 14.04.2012

Mittwoch, 14. März 2012

HORDAK "Under The Sign Of The Wilderness"

Band: HORDAK
Titel: Under The Sign Of The Wilderness
Genre: Pagan Black Metal
Label: Eigenpressung
Punkte: 10 / 10

So, dies ist es also nun: Das für jede Band auf diesem Planeten so wichtige dritte Album. Und Hordak haben hierfür auch deutlich hörbar alles gegeben, was sie überhaupt zu bieten haben. Personell verstärkt haben sich Gitarrist und Sänger Autumn War sowie sein verschworener Heidenbruder Winter War diesmal mit den beiden neuen Pagan Black Metal-Mitstreitern, Tieftoner A. Mansilla und Drummer J. Sierra. Das erneut von Kris Verwimp stammende Frontcover-Artwork kann neben dem viel versprechenden programmatischen Albumtitel „Under The Sign Of The Wilderness“ vorab schon mal bestens auf das musikalisch Folgende einstimmen. Famos los geht es zunächst mit einer prächtig instrumentierten und genussvoll verspielten Folklore-Introduktion, welche simpel als „Intro“ tituliert wurde. Diesem symbolschwangeren Beginn schließt sich der tosend brachial geschmetterte Opener „722“ an, welcher einem Hordak in zeitloser Reinkultur bietet: Kernig, druckvoll, martialisch rhythmisiert und einnehmend melodisch! Der erste Hammer-Hit dieser neuen Kriegerscheibe stellt sich dann in Form von „Spreading The Firewings“ begeisternd dar: Ein frenetisch gespielter Uptempo-Knaller der absolut packenden Sorte, der mehr gute Ideen enthält als so manche Genre-Veröffentlichung insgesamt. Das formidabel komponierte und effizient strukturierte Stück haut mit furios aufpeitschenden Gitarren-Leads rein, die man so schnell nicht vergessen kann.

Im Anschluss daran ebnet der siebenminütige Titelsong „Under the Sign Of The Wilderness“ den Weg für weitere Pagan Black Metal-Glückseligkeit: Kantig barsch gehauen und dabei dennoch knackig getaktet, ist auch dieser Komposition eine ganz hervorragende Melodik zueigen. Meister Autumn War vokalisiert hierbei erneut mit aller wütenden urheidnischen Stimmkraft. Der Kerl kreischt so wonnig räudig, verkommen und gehässig triumphal über allen Dingen, dass es unweigerlich ansteckend wirkt. Durchweg lobenswert differenzierte Gitarrenarbeit sowie im besinnlich orientierten Mittelteil eine von atmosphärisch gezupften Akustik-Klampfen durchzogene epische Passage machen auch aus dieser Nummer eine dauerhaft hörenswerte Angelegenheit. Kurz vor Schluss des enorm ereignisreichen Tracks beglückt den Hörer noch ein traumhaftes Saiten-Solo von verschlingend griffiger, metallisch schön traditionell gehaltener Spielnatur. Die ganz große Stärke von Hordak auf „Under The Sign Of The Wilderness“ tut sich spätestens jetzt unleugbar auf: Bereits mit relativ wenig Zuwendung entfalten sich die kreativen Intentionen der instrumentell bemerkenswert versierten Urheber nämlich bestens. Man kennt dies von zahlreichen Schwermetall-Klassikern aus der Blütezeit des Heavy Metal an sich, den 1980er Jahren. Und das schließt hier auch immer wieder massiv nostalgisch stimmende Arrangements mit ein, die gut zum sonstigen rigiden Klanggeschehen passen.

Dieser massive Pagan Black Metal-Schild ist also durchwegs ein echtes Vollblut-Produkt. Aufmachung, Songs, Lyriken und Sound sind eindeutig und zweifellos von wirklichen Überzeugungstätern für die heidnische Ewigkeit zusammengebracht worden. Der siebte Erfolgs-Schlag auf dem aktuellen Hordak-Langspieler ist der berauschend schmissig melodisierte Super-Track „The Song Of The Distant Waves“. Er erinnert nicht wenig an gute alte Mithotyn, zu Zeiten ihres zweiten Albums „King Of The Distant Forest“. Die Kombination der Bestandteile ist hierbei so stimmig, dass es sich anfühlt, als würde man einem sehr vertrauten Freund zuhören. Und in genau dieselbe Kerbe haut hier auch „The Rising Of The Warhammers“, worin die Hordak-Kriegerschaft regelrecht wollüstig böllernd und wild riffend um sich wütet. Zum empor hebenden Schluss dieses achten schweren Song-Schwertes hin jubilieren die Griffbretter regelrecht, und es erschließt sich: Die selbstlos exerzierte Gitarren-Hingabe von Autumn War und Winter War ist auch hierin von bestechender Erscheinung. So scharfe Saiten ziehen wohl nur eine Handvoll Heidenmetall-Horden auf dieser Erde auf.

Und so hocherbaulich geht es weiter, bis zum Ende der gigantisch inhaltsreichen Veröffentlichung. Die Gesamtspieldauer dieses künstlerisch so feurig angerichteten Heidentellers beträgt knapp über 56 Minuten. Und nur noch äußerst selten verstehen es all die Metier-Repräsentanten nach dem erfolgten Abflauen des Pagan Metal-Booms mittlerweile, so dermaßen viel an lichterloh lodernden Leidenschaften auf einen Tonträger zu packen. Wirklich ergebene Pagan Black Metal-Fanatiker, die ständig nach authentischen Notentruppen mitsamt aufrichtigen Songs und ergötzlich akzentuierter Klangkunst Ausschau halten, kommen an dieser vollauf mitreißenden Prachtplatte einfach nicht vorbei!

© Eckbert, 28.10.2011